Der Sog der „großen“ Namen

Bei meiner täglichen Arbeit treffe ich dieses Phänomen immer wieder. Die Jagd auf Objekte von großen Designern. Der Fokus ist so sehr auf dem Brandstempel oder dem Label, das der Blick nicht mehr frei ist für das Eigentliche: das außergewöhnliche Vintage Objekt.

Laß mich das an Beispielen deutlich machen. Mir geht es beim Vintage Design um die besonderen Objekte, das Außergewöhnliche, den Eyecatcher. Einen normalen Cocktailsessel hat nahezu jeder Vintageliebhaber und du kannst ihn an jeder Ecke bekommen von € 40 bis € 400. Aber den einen Cocktailsessel mit eleganten Armlehnen, die sehr filigran sind, den hat nicht jeder.

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50er, 60er Easychair, Sessel. Unbezeichnet

Diese beiden Sessel wurden mir angeboten per email mit zwei, drei Fotos. Ich habe stundenlang im Netz und in der Literatur recherchiert. Gefunden habe ich nichts. Ich kann bis heute nicht sagen, wer den Sessel entworfen und wer ihn hergestellt hat. Es gab kein Label und keine Markierung an diesen Sesseln. Aber sie waren, sind außergewöhnlich. Das die beiden Sessel in Süddeutschland, nahe der Grenze zu Österreich, standen, machte die Sache nicht einfacher. Schließlich habe ich mich auf einen Preis geeinigt und einen meiner Spediteure mit der Abholung beauftragt. Es war schon ein Risiko.

Als die Sessel bei mir ankamen, waren sie viel schöner, als auf den Fotos. Hier alle Fotos:

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Die Fotos zeigen die Sessel nach meiner Aufbereitung. Sie sind wahre Eyecatcher in jedem Zimmer. Bereits nach 14 Tagen wurden Sie gekauft und abgeholt von einem Fernsehsender. Verwendet wurden sie zur Einrichtung eines Studios für eine neue Sportsendung.

Gier nach „großen“ Namen hätte mich diese wunderschönen Objekte verpassen lassen. Und wahrscheinlich sind sie äußerst selten noch dazu.

Dieses Phänomen habe ich auch auf Flohmärkten beobachtet. Jeder einigermaßen Interessierte stöbert nach dem Designobjekt und übersieht dabei das außergewöhnliche Objekt, das vielleicht niemandem zugeordnet werden kann. Wenn meine Gäste nur auf namhafte Objekte reagieren, muss ich doch ihren Vintage Design Sinn hinterfragen. Ich möchte viel lieber, das die Gäste über meinem neuen Eyecatcher ausflippen, auch wenn ich zur Herkunft fast nichts sagen kann, oder?

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50er Jahre Kommode, unbezeichnet

Mit dieser Kommode ist es ebenso. Betont werden muss, das der Wert dieses Objekts nicht weniger ist, nur weil wir keine Herkunft ermitteln können. Oder anders herum: Der Wert wird eigentlich nicht höher, weil wir sagen können, wer in seiner Kreativität den Entwurf gemacht und wer die Herstellung übernommen hat. Das bestimmt allein die Nachfrage.

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50er Jahre Nachtkommoden. Unbezeichnet. Anonyme Manufaktur.

Es ist schade, wenn solche schönen Objekte einfach ignoriert und dann dem Müll preisgegeben werden. Vintage zu lieben ist nicht zwangsläufig die Jagd nach dem ultimativen Designobjekt. Solche unbezeichneten Möbel, wie gezeigt, strahlen einfach nur die Kreativität ihrer „Macher“ aus.

Wie findest du diese seltenen Objekte, die von Handwerkern in kleinen Stückzahlen, manchmal nur ein- oder zweimal, hergestellt wurden?

Geh mal in deiner Suche weg von einschlägigen Designseiten und -händlern. Konzentriere dich auf saubere Vintagehändler, vielleicht auch ausserhalb der Metropolen, wie Berlin, Hamburg, Köln, Frankfurt, Stuttgart und München. Eine halbe Stunde bis 45 Minuten raus aus diesen Städten kannst du den ein oder anderen Händler finden, der mit Leidenschaft sein Angebot zu realistischen Preisen präsentiert. Und hier kann es gut sein, daß das ganze Angebot außergewöhnliches enthält: Lampen, Möbel und Accessoires. Das ist die Mühe wert. Viele von diesen Händlern haben Webseiten, die mit großer Mühe und Hingabe gepflegt werden. Viel Erfolg beim recherchieren.